Die Präsenz von Engeln zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Musik. Mit ihrer Erscheinung und ihrer Stimme verkörpern sie seit Jahrtausenden die Reinheit, die Schönheit, die Unschuld und die Fähigkeit, einen Blick in die »andere«, den Sterblichen verschlossene Welt zu gewähren. Vom Mittelalter bis zum Barock begleiten sie die Musik als Boten Gottes, als kindliche Gestalten, als Übermittler von Botschaften und sogar als Musizierende, die es den Menschen ermöglichen, die Geheimnisse der Alten Musik und ihrer Musikinstrumente zu entschlüsseln.
Die volkstümlichen geistlichen Lobgesänge des mittelalterlichen Sammlungsmanuskripts »Laudario di Cortona« bis hin zur komplexen geistlichen Musik des 17. Jahrhunderts erschließen eine Welt voller Geschichten, die von einer den Sterblichen verborgenen Welt erzählen, in der göttliche Wesen leben und die für den Menschen stets unerreichbar bleibt. In der Musiktradition Südeuropas besteht eine enge, fast freundschaftliche Beziehung zu diesen göttlichen Wesen, und so leben diese dort wie normale, gewöhnliche Menschen, die in ihren Liedern von der Arbeit und vom täglichen Leben am heutigen Alltag teilnehmen. Das Ensemble Oni Wytars erkundet diese Welt der archaischen Klänge und erstaunlichen Geschichten über die Gottesboten vom Sonnengesang bis zur Tarantella – in nahezu vergessenen Sprachen aus vergangenen Kulturen und auf Instrumenten, die Jahrtausende überdauert haben.
Das Ensemble Oni Wytars wurde 1983 zunächst als Ensemble für mittelalterliche Musik gegründet. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit war stets die Erforschung der Zusammenhänge und gegenseitigen Einflüsse der Kunst- und Populärmusik der Mittelmeerländer vom 13. bis zum 15. Jahrhundert: die Klänge des italienischen Trecento, die Pilgergesängen aus katalanischen und spanischen Manuskripten des 13. und 14. Jahrhunderts, die Melodien der Troubadoure und Trouvères. Etwas später begannen die Musiker aus Italien, Deutschland, Österreich und Grossbritannien die Musik der Renaissance und des Frühbarock zu erkunden. So entsteht ein mediterraner Klangkosmos aus Rhythmen, Melodien und Improvisationen, vom Sonnengesang zur Tarantella, vom einstimmigen Gesang des Mittelalters bis zur frühbarocken Villanella, gespielt auf Instrumenten, die Jahrtausende überdauert haben.
Für verschiedene Konzert- und CD-Projekte lädt das Ensemble virtuose Musiker aus der Alten- und der traditionellen Musik ein. Aus der fruchtbaren Zusammenarbeit etwa mit dem sardischen Musiker Luigi Lai, dem auf Kreta lebenden Duo Ross Daly & Kelly Thoma und dem in Frankreich lebenden Carlo Rizzo, dem Organisten und Cembalisten Michael Behringer und mit Ian Harrison entstanden beispielsweise die Programme »Mediterraneum« und »La Follia – the Triumph of Folly«. Insgesamt hat das Ensemble Oni Wytars 17 CDs herausgebracht.
Oni Wytars gastierte bei der MusikTriennale und in der Philharmonie Köln, bei der Styriarte in Graz, den Festwochen der Alten Musik in Innsbruck und in Krieglach sowie bei zahlreichen weiteren Festivals in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Gastspiele führten die Musikerinnen und Musiker auch nach Kanada, Frankreich, Italien, England und Spanien. Das WDR-Fernsehen hat das Ensemble einen Monat lang bei mehreren Konzerten begleitet und die rund einstündige TV-Reportage »Oni Wytars – musikalische Wanderer zwischen Orient und Okzident« produziert.