Wenn Engel die Vögel Gottes sind, vermitteln sie zwischen Himmel und Erde – genau wie die Musik, denn ihre Klänge, die man zwar darstellen, nicht aber sichtbar machen kann, sind Brücken zur unsichtbaren Welt. Musik hat die Macht, gewaltige Gefühle auszulösen. Musik ist ein Gebet, das gegen Angst, Verzweiflung und Schmerz hilft. Musik macht Menschen fröhlich, damals wie heute – und verbindet auch damit Welten: Vergangenheit und Gegenwart.
Hörbar wird das im Eröffnungskonzert zum diesjährigen Wittenberger Renaissance Musikfestival, denn die zehn Musikerinnen und Musiker des Ensembles ars supernova feiern nicht nur 700 Jahre Bläsermusik, sondern auch die Begegnung von Alter Musik und Jazz. Der Alta-capella-Besetzung der Gotik und der Renaissance fügen sie eine komplette Jazzcombo hinzu, bestehend aus Saxophon, Horn, Tuba, Gitarre, Percussion und Gesang. Ihre Quellen sind Kompositionen der Meister des himmlischen Klangs der Ars nova, der Musik des 14. Jahrhunderts, darunter Jacopo da Bologna, Johannes Ciconia, Johannes de Grocheo und Francesco Landini, auf dessen Grabstein in Florenz geschrieben steht: »Seine Asche liegt in San Lorenzo, seine Seele ist oben bei den Sternen, aber seine Musik bleibt bei uns.« So wird altes Material neu arrangiert, für längst vergessenes Instrumentarium nach überlieferten Regeln neu arrangiert und mit großer Spielfreude improvisiert.
Der vergessene Klang der mittelalterlichen Alta Capella ist das historische Herz des Projekts ars supernova. Die Besetzung dieses Ensembles, bestehend aus Schalmei, Pommer, Zugtrompete und der in der Renaissance neu erfundenen Posaune, entspricht der Standardformation in den neugegründeten Städten und an den Adelshöfen Europas vom 13. bis zum 16. Jahrhundert. Die Aufführung von Turmbläser-, Tanz- und Tafelmusiken gehörte in den Städten zu den täglichen Pflichten bezahlter Berufsmusiker, an den europäischen Adelshöfen wetteiferten sie mit repräsentativer Musik und kunstvoller Mehrstimmigkeit. Damit legten die mittelalterlichen Kollegen die Grundlage für die Symphonieorchester und Big Bands der Gegenwart.
Die Mitglieder des Projekts ars supernova experimentieren mit dem musikalischen Material der Gotik, fügen der mittelalterlichen Alta Capella eine komplette Jazzcombo mit Saxophon, Gitarre, Kontrabass, Tuba und Schlagzeug hinzu und greifen auch einmal zum Saxophon, zur modernen Posaune oder auch zum Zink. Altes Material wird neu arrangiert, für ein längst vergessenes Instrumentarium neu komponiert und mit großer Spielfreude improvisiert.
Das mit internationalen Preisen ausgezeichnete Ensemble Les haulz et les bas hat den Nachlass der mittelalterlichen Bläser durchleuchtet, historisches Notenmaterial recherchiert, den verlorenen Klang rekonstruiert und diese faszinierende Musik mit großem Erfolg bei führenden europäischen Alte-Musik-Festivals präsentiert. Die Gruppe ars supernova ging 2016 aus der Zusammenarbeit von Les haulz et les bas mit Jazzmusikern hervor. Seither hat sie sich zu einer eigenständigen, festen Formation entwickelt und zahlreiche Konzerte im In- und Ausland gespielt. Für ihre originellen Arrangements wurde sie von Deutschlandradio Kultur mit dem Preis des Musikfestes Erzgebirge geehrt. ars supernova ist der Überzeugung, dass das Saxophon das ideale Instrument für die ars nova des 14. Jahrhunderts sei und dass die mittelalterliche Schalmei exakt den Klang hat, auf den der Jazz schon immer gewartet habe. Mit ars supernova erleben die Zuhörer mittelalterliche Kompositionen in neuen Arrangements und ergänzt mit atemberaubenden Improvisationen. Unter dem Motto »Neue Wege für alte Musik« gewann das Projekt eine CD-Produktion mit Deutschlandradio Kultur, die beim Freiburger Label ahalani records erschienen ist.