Professionelle Musikerinnen und Musiker nähern sich der Musik vergangener Epochen über das Studium der historischen Aufführungspraxis – normalerweise. So wird versucht, ihrer ursprünglichen Form und ihrem Wesen möglichst nahe zu kommen. Was aber, wenn die Zeitreise ausnahmsweise nicht von den Musizierenden angetreten wird, sondern von der Musik selbst? Mit dieser Idee spielen am Abschlussabend des diesjährigen Wittenberger Renaissance Festivals drei Musiker, die sich mit der Sopranistin Julla von Landsberg zum Ensemble ArsMusicaElletrica zusammengetan haben: Musik bewegt sich in der Zeit oder auch aus ihr heraus. Klingt abstrakt, ist es aber nicht. Denn vielleicht trifft sie in einem Jazzclub ja auf inspirierte Gleichgesinnte. Das hörbare Ergebnis solch fiktiver Begegnungen spiegelt sich im heutigen Programm mit Lars Kutschke und Stefan Maass an den Gitarren und Tom Götze am Bass wider – unter anderem mit Kompositionen von Heinrich Schütz und einigen seiner begabtesten »Schüler«. Aus welchen Jahrhunderten letztere stammen, wird vorab aber nicht verraten!
Die aus Bayern stammende Sopranistin Julla von Landsberg studierte zunächst am Richard-Strauss-Konservatorium München. Später bildete sie sich am Institut für Alte Musik an der Staatlichen Hochschule für Musik in Trossingen fort, wo sie 2004 mit Studienkollegen das Ensemble Santenay für Musik des Mittelalters gründete. Ihre Studien schloss Julla von Landsberg 2009 an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig ab.
Julla von Landsbergs Repertoire erstreckt sich von früher Monodie bis hin zu zeitgenössischer Improvisation. Ihr besonderes Interesse gilt der Alten Musik, der Musik des Mittelalters, der Renaissance und des Barock und dem frühen klassischen Liedgut. Liederabende, Kammerkonzerte, Oratorien- und Opernengagements führen sie durch ganz Europa. Als Performerin im zeitgenössischen Musiktheater steht sie seit Jahren mit Nico and the Navigators auf der Bühne. Ihre am meisten inspirierenden Momente findet Julla von Landsberg in der Interpretation vergessener und selten gehörter Musik, etwa aus der Barockzeit – mit ihrem Ensemble Santenay – aus der bizarr-sinnlichen Welt des Mittelalters.
»Mich fasziniert die emotionale Kraft von Musik. Sie bewegt direkt, auch ohne Worte, jedes Herz, und es ist mir das schönste Geschenk, Musik mitzugestalten. In einer Situation von großer Offenheit und Spontaneität teilen Publikum und Musizierende eine gemeinsame, ungreifbare und nur im Moment erlebbare Erfahrung«, sagt die Sängerin.
Die Musikerin und Pferdewirtin lebt in der Nähe von Torgau in Sachsen und betreibt mit ihrem Lebenspartner einen Bauernhof mit vom Aussterben bedrohten Nutztierrassen.
Stefan Maass, 1960 in Berlin geboren, studierte von 1980 bis 1984 klassische Gitarre an der Hochschule für Musik »Hanns Eisler« in Berlin. 1988 erhielt er ein Stipendium des Deutschen Musikrates und absolvierte bis 1993 ein Lautenstudium bei Konrad Junghänel an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Solistisch und im Continuospiel ist er auf die Musik des 17. und 18. Jahrhunderts spezialisiert.
Stefan Maass lebt seit 1989 auf Schloss Batzdorf unweit von Dresden und hat die dort beheimatete Batzdorfer Hofkapelle mitgegründet. Er ist Preisträger der Hanna Johannes Arras Stiftung zur Förderung der Kunst und Kultur in Dresden.
Tom Götze wurde 1968 in Dresden geboren und studierte von 1984 bis 1990 Tuba, Bassgitarre und Kontrabass an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden. Seit seinem Studienaufenthalt 1992/93 in den USA – in New York und Los Angeles – ist er als Musiker stilistisch im Jazz, Rock, Pop und in der Klassik sowie als Schauspielmusiker tätig. Er arbeitete mit prominenten Künstlerinnen und Künstlern wie Mike Stern, den Pet Shop Boys, Armin Mueller-Stahl, Günther Fischer, Till Brönner, Adam Rogers, Manfred Krug, Richie Beirach, Arkady Shilkloper, Gitte Haenning, Uschi Brüning, Jiggs Wigham, Pascal von Wroblewsky, Günther »Baby« Sommer, Stephan Bormann und Günter Hörig. Als Gründungsmitglied der Dresdner Sinfoniker, eines Sinfonieorchesters speziell für zeitgenössische Musik, ist er regelmäßig und auch als Solist an deren Projekten beteiligt.
Gastspiele und Tourneen führten Tom Götze unter anderem nach Mexiko, Kanada, Kuba, Skandinavien, England, Spanien, Italien, Frankreich, Österreich, Russland, China und in die Schweiz. Seit 2012 unterrichtet er als Professor für Kontrabass/Bassgitarre an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden. Tom Götze ist verheiratet und lebt mit seiner Familie in Dresden.
Lars Kutschke studierte Gitarre an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden und am Rotterdams Conservatorium in den Niederlanden. Während mehrerer Aufenthalte in New York erhielt er Unterricht bei Wayne Krantz, Adam Rogers und Oz Noy. 2002 tourte er mit der Gospel-Blues Sängerin Sharrie Williams aus Detroit entlang der Ostküste und im mittleren Westen der USA. 2005 wurde er künstlerischer Leiter der Band. Tourneen führten Kutschke in Clubs und auf Festivals in mehr als 40 Ländern. Live und im Studio mit arbeitete er mit vielen verschiedenen deutschen und internationalen Künstlerinnen und Künstlern zusammen, darunter Taj Mahal, Hubert Sumlin, Buddy Guy und Bettye Lavette. Als Komponist und Musiker wirkte er in zahlreichen Theater- und Musicalproduktionen mit. Kutschke veröffentlichte zwei Solo-Alben sowie zwei Produktionen seines Trios »Soundsville«, in dem auch der italienische Hammond-Organist Alberto Marsico mitspielt. Er unterrichtet an der Hochschule für Musik und Theater »Felix Mendelssohn Bartholdy« Leipzig in Leipzig.